Windräder in Ettlingen – Brauchen wir die Windkraft wirklich?

Windräder. wie sie bald auch in Ettlingen stehen könnten

Inhalt des Beitrags

Hitzige Debatte um die Windkraft in Ettlingen

In Ettlingen sollen möglicherweise Windräder gebaut werden – und Windkraftgegner laufen Sturm gegen den lokalen Ausbau dieser Form der Erneuerbaren Energie. In der hitzig geführten Debatte geht es um den Schutz der Artenvielfalt, gesundheitliche Risiken, die Angst vor Blackouts und die Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Wir als BUND-Ettlingen befürworten den Bau der Windkraftanlagen – auch wenn wir dafür Kompromisse eingehen müssen. In diesem Beitrag wollen wir den Windkraftgegnern argumentativ den Wind aus den Segeln nehmen und darlegen, welche Gründe für die Windenergie sprechen. Außerdem zeigen wir, warum in der Debatte um die Atomkraft als Hoffnungsträger für die Energiewende vor allem viel heiße Luft produziert wird. Wir sind außerdem der Überzeugung, dass im klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft für Ettlingen aber auch für ganz Deutschland eine echte Chance liegt.

Windkraft in Ettlingen – das ist geplant

In Baden-Württemberg sollen nach einer Gesetzesvorgabe 1,8 Prozent der Landesfläche für den Windkraftausbau ausgewiesen werden. Anlagen können dafür dann auch auf dem Gebiet der Stadt Ettlingen gebaut werden. Infrage kommen zum Beispiel der Wattkopf, das Gebiet oberhalb der Spinnerei oder die südliche Gemarkungsgrenze der Stadt Ettlingen. Aktuell läuft in Ettingen ein Bürgerdialog zur Windenergie mit allen wichtigen Akteuren.

Eine Entscheidung, welche Gebiete für die Windkraft ausgewiesen werden, soll bis Herbst 2024 gefällt werden. Auf den ausgewiesenen Flächen können dann Energieunternehmen Windkraftanlagen errichten. Im Rahmen des Bürgerdialogs sollen Kompromisse über die Standorte für die Windräder ermittelt werden.

Ein Windrad

Windenergie für Sparfüchse – günstiger Strom durch Windkraft

Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? – Sicher hat der ein oder andere Windrad-Skeptiker den alten Karnevalssong von Jupp Schmitz im Kopf, wenn er an die Kosten für die Energiewende denkt. Beruhigen wird ihn vielleicht, dass Windenergie mittlerweile eine Technologie für echte Sparfüchse ist.

Dies zeigen unter anderem Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme aus dem Jahr 2021. Demnach verzeichnet Windenergie an Land mit Preisen zwischen 3,94 und 8,29 €Cent/kWh gemeinsam mit PV-Anlagen die niedrigsten Stromentstehungskosten unter allen Kraftwerksarten. [1]

In die Rechnung noch gar nicht einbezogen sind die Klimafolgekosten, die das Bundesumweltamt mit 195 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 angibt. Der Kohlendioxidausstoß fossiler Kraftwerke kostet den Steuerzahler also Unsummen an Geld. Allein der Wiederaufbau des Ahrtals nach der Flutkatstrophe beziffert sich auf 40 Milliarden Euro. Durch den Klimawandel häufen sich Extremwetterereignisse und damit auch solche Naturkatastrophen.

Deutschland verursacht bei seinem aktuellen CO2-Ausstoß alle zwei Jahre etwa 195 Milliarden Euro an Klimafolgekosten. Diese Unsummen an Klimaschäden entstehen aber nicht nur durch Flutkatastrophen, sondern zum Beispiel auch durch Ernteausfälle, Wasserknappheit oder Konflikte um knappe Ressourcen. [2]

Es können also nicht die Kosten sein, die der Grund für eine Ablehnung der Windenergie sein. Denn an der Transformation zur Klimaneutralität zu sparen, wird unermesslich teuer.

Windräder in Ettlingen – brauchen wir wirklich Onshore-Windenergie?

Warum bauen wir nicht erstmal Photovoltaik auf alle verfügbaren Dächer, bevor wir Windräder in den Wald stellen?

Dieses Argument hört man immer wieder von Menschen, denen die Windkraftwerke ein Dorn im Auge sind. Einer der Hauptgründe dafür liegt eigentlich auf der Hand: Die Sonne scheint nicht ununterbrochen. Aber auch die nackten Zahlen zeigen sehr eindeutig, dass wir um Windenergie an Land als Energiequelle nicht herumkommen.

Studien zeigen, dass etwa zwei Prozent der Landfläche Deutschlands für Windenergie geeignet sind. [3] Vollausgenutzt können wir auf dieser Fläche 580 TWh an Energie produzieren. Diese Menge würde ungefähr ausreichen, um den heutigen Stromverbrauch der Bundesrepublik vollständig zu decken.

Energie benötigen wir aber nicht nur für die klassische Stromerzeugung. Auch das Heizen, den Verkehr und die energieintensive Industrie müssen wir berücksichtigen.

Insgesamt lässt sich vermuten, dass sich der Strombedarf von Deutschland – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Elektromobilität – in den nächsten Jahren vermutlich verdreifachen wird. Mit den Windrädern an Land könnten wir dann nur noch einen Anteil von 25 Prozent des Energiebedarfs decken.

Jetzt gibt es natürlich auch noch Offshore-Windlagen im Meer. Dort ist die nutzbare Fläche allerdings auch stark begrenzt. Durch Offshore-Windanlagen in Nord- und Ostsee könnten wir vermutlich 279 TWh Energie erzeugen. Solarenergie auf Dächern kann 200 TWh, also 10 Prozent des Bedarfs, beitragen. Die verbleibende Stromlücke muss durch Freiflächenphotovoltaik gedeckt werden.

Nur mit dem Ausbau all dieser Energieformen ist es möglich, den zukünftigen Strombedarf von Deutschland vollständig mit Erneuerbaren zu decken. Wir können uns dafür nicht auf nur eine Form der Energieerzeugung beschränken. Und vor allem kann nicht jede Gemeinde kategorisch ausschließen, Windenergie auszubauen. Auch Ettlingen muss seinen Beitrag zu Energiewende leisten. [4]

Freiflächenphotovoltaik

Dunkelflaute und Angst vor dem Blackout

Jetzt wird natürlich der ein oder andere den Kopf schütteln und sagen, Erneuerbare sind ja schön und gut. Aber welche Energie bringt uns über die berühmte Dunkelflaute? Also jene paar Tage im Jahr, an denen weder ausreichend Wind weht noch die Sonne hinter den Wolken hervorschaut.

So viel sei an dieser Stelle schonmal verraten: Des Rätsels Lösung liegt im Ausbau der Speicherkapazität und nicht in der Atomkraft. Denn das Lieblingsprojekt vieler Windkraftgegner – auch der Initiative Gegenwind aus Ettlingen – bringt einige Herausforderungen mit sich.

Warum Atomkraft nicht die Lösung für unsere Probleme ist

Wenn man sich aktuelle Atomkraftprojekte in Europa ansieht, merkt man schnell, warum Atomkraft in der Stromversorgung insgesamt eine untergeordnete Rolle spielt. Die vielgepriesenen Kernkraftwerke lassen auf sich warten und sind enorm teuer. Eigentlich könnte man sagen, Beispiele für diese Kostenexplosionen gibt es wie Sand am Meer. Aber dafür ist die Anzahl an tatsächlich neu gebauten Kernkraftwerken viel zu gering. Das hat auch seinen guten Grund:

Schauen wir uns zum Beispiel das finnische Kraftwerk Olkiluoto an. Der Baubeginn startete 2005. Mit veranschlagten Kosten von drei Milliarden Euro sollte die Anlage 2011 in Betrieb gehen. 2022 war es dann schließlich soweit und Olkiluoto ging ans Netz. Ein Schnäppchen war der Bau jedoch nicht. Gekostet hat die Finnen der Kernkraftspaß 11 Milliarden Euro.

Auch ein Blick ins Kernkraft-Musterland Frankreich lässt einen an der Renaissance der Kernkraft zweifeln. Flamanville in der Normandie ist eines der neuen Vorzeigprojekte. Das Kraftwerk wurde 2004 geplant und sollte 2012 für nicht einmal 3,3 Milliarden Euro ans Netz gehen. Nach Kosten von etwa 19 Milliarden Euro können sich die Franzosen voraussichtlich 2024 über den neuen Kernkraftstrom freuen.

Kernkraft als Lösung ist eine Scheindebatte

Um mit Kernenergie die Klimakrise zu lösen, müssten wir allein in der Bundesrepublik in wenigen Jahren hunderte Kraftwerke bauen. Selbst ohne Schuldenbremse und knappe Staatsfinanzen wäre das schlicht unrealistisch.

Kleine modulare Kraftwerke der neuesten Generation sind noch in der Entwicklungsphase. Fragen zu Risiko und Wirtschaftlichkeit sind bislang nicht geklärt. Fast sicher ist dagegen, dass eine serielle Produktion dieser Kraftwerkstypen und ein flächendeckender Umstieg auf diese Energieform angesichts der Klimakrise viel zu spät kommen würde.

Im Jahr 2020 gab es weltweit 9 Kernkraftwerke mehr als 25 Jahre zuvor. Zwar sind etwa 50 Kernkraftwerke im Bau, durch die extrem langen Bauzeiten werden bis zur Fertigstellung aber etwa ebenso viele alte Reaktoren vom Netz gehen. Zu weiteren Problemen wie den hochgefährlichen Atommüll muss hier gar nicht ins Detail gegangen werden.

Kernenergie ist keine günstige Energie. Der Strom aus Kernkraftwerken kostet mit Bau und Endlagerung nachweislich zwei bis dreimal so viel wie der Strom aus Erneuerbaren. Wundertechnologien wie die Kernfusion liegen in einer weit entfernten Zukunft. Wer die Kernkraft als Zukunftstechnologie beschwört, möchte in der aktuellen Debatte vor allem eines: den Ausbau der Erneuerbaren mit Scheinargumenten verzögern.

Kernkraft ist nur eine Scheinlösung

Wankelnde Stromeinspeisung ins Netz – genügend Energiespeicher

Bleibt die Frage nach der Speicherkapazität für die Erneuerbare Energie. Aktuell ist unser Stromnetz noch weitgehend zentralisiert aufgebaut. Einige große Kraftwerke versorgen das Land mit Energie. Fossile Kraftwerke können kontinuierlich Energie ins Netz speisen, unabhängig vom Wetter. Wie man allerdings in Frankreich sieht, geht den Kernkraftwerken in heißen Sommern jedoch auch schnell mal das Kühlwasser aus.

Wir brauchen also mehr Energie-Speicher, um Schwankungen in der Stromproduktion mit Erneuerbaren auszugleichen. Dafür müssen wir verschiedene Lösungsansätze in Betracht ziehen. In den nächsten Jahren werden immer mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs sein. Die Autobatterien werden immer leistungsfähiger. Ein modernes E-Auto kann ein Einfamilienhaus mehrere Tage mit Strom versorgen. Ein gigantischer Speicher, der uns in Zukunft zur Verfügung stehen wird, um Strom ins Netz zurückzuspeisen – zum Beispiel, um eine Dunkelflaute zu überbrücken.

Gemeinsam mit Gaskraftwerken, Pumpspeicherkraftwerken und klugen Einsparmechanismen von Energie, zum Beispiel durch das stundenweise Abschalten von großen Kühlhäusern, kann in Zukunft ausreichend Speicherkapazität zur Verfügung gestellt werden. Dafür brauchen wir moderne dezentrale Energienetze. Auch hier ist ein gleichzeitiger Ausbau mit den Erneuerbaren notwendig.

Infraschall und Windenergie

Auch die Windkraftgegner in Ettlingen, allen voran die Initiative Gegenwind, sorgen sich um die vermeintlich gesundheitsschädliche Wirkung von Infraschall bei Windrädern. Zunächst haben sie damit recht, dass Windräder durchaus Infraschall erzeugen – allerdings ist die Belastung innerhalb eines Autos deutlich größer als direkt neben einem Windpark.

2020 hat die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg / LUBW in einer Studie gezeigt, dass in 700 Metern Entfernung zu einer Windkraftanlage in puncto Infraschall kein Unterschied besteht, ob die Anlage stillsteht oder angeschaltet ist.

Aber woher kommt dann die Sorge vor dem Infraschall? Für großes Aufsehen sorgte eine Untersuchung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die bei der Windkraft bedenklich hohe Schallpegel dokumentierte. Das Problem: Die Forscher hatten sich nachweislich verrechnet. Selbst der damalige für die BGR zuständige Minister Peter Altmeier entschuldigte sich öffentlich für den Rechenfehler.

Windräder sind eine Gefahr für den Rotmilan

Sind Windräder Vogelkiller?

Der BUND kämpft als Naturschutzverband seit Jahrzehnten gegen das Artensterben. In der Regel stehen die Naturschutzverbände dabei auf einsamen Posten, denn der Erhalt der Artenvielfalt spielt für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft oft nur eine untergeordnete Rolle. Umso überraschender ist für uns, welche Politiker und auch andere gesellschaftliche Akteure beim Thema Windkraft plötzlich zu erbitterten Artenschützern werden.

Ja, es stimmt leider – Windräder töten Vögel. Im Jahr sterben in Deutschland etwa 100.000 Vögel durch Windräder. Das ist sehr bedauerlich, vor allem wenn es sich um geschützte Arten wie den Rotmilan handelt.

Aber setzen wir die Zahl einmal in Perspektive: Die häufigsten Todesursachen für Vögel sind bei uns Fensterscheiben und Hauskatzen. Beide fordern Schätzungen zufolge jeweils etwa 100 Millionen tote Vögel. Durch Vogelschutzscheiben etc. wäre dieses Massensterben zu verhindern. Die gesellschaftliche Debatte zu diesen Themen ist quasi non-existent.

Der Umstieg auf Erneuerbare Energieformen ist aus Klimaschutzgründen zwingend notwendig. Der BUND ist deshalb bereit, hier auch schmerzhafte, aber notwendige Kompromisse einzugehen.

Aber: Gezielte Maßnahmen können die Zahl der toten Vögel bei Windkraftanlagen deutlich reduzieren. Der Rotmilan kann zum Beispiel durch eine Abschaltung der Windräder im Zeitraum der Mahd nahegelegener Wiesen effektiv geschützt werden. Die Rotmilane halten sich oft während und nach der Mahd auf den frisch gemähten Wiesen auf, da sie hier leichte Beute machen können. Wälder sind für jagende Greifvögel zudem oft unattraktiv. Es gilt solche Möglichkeiten gezielt weiterzuentwickeln und die Verluste von Vögeln und Fledermäusen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. [5]

Dem BUND ist es deshalb besonders wichtig, dass Artenschutzaspekte beim Ausbau der Windkraft berücksichtigt werden. Nationalparks, Naturschutzgebiete, Kernzonen von Biosphärenreservaten, Bann- und Schonwälder, Rast- und Überwinterungsgebiete, gesetzlich geschützte Biotope und Natura 2000-Gebiete sollten für die Windkraft tabu sein. [6]

Zerstören Windräder den Wald und schaden damit dem Klima?

Der deutsche Wald hat ein Problem. Aber es sind nicht die Windräder. Deutsch Wälder sind zum allergrößten Teil Wirtschaftswälder. Das sind keine artenreichen naturnahen Walder, sondern grüne Baumplantagen.

Natürlich stellen Windräder einen Eingriff in die Natur dar. In der Abwägung wären wir aber bereit, etwas Wirtschaftswald für die Energieerzeugung zu opfern. Als Ausgleich brauchen wir viel mehr natürliche Wälder mit alten Bäumen. Daran fehlt es in Deutschland.

Ein Windrad im Wald

Erneuerbare Energien in Ettlingen – wir schauen positiv in die Zukunft

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist ein Kraftakt. Wir als BUND-Ettlingen glauben aber auch, dass darin eine echte Chance liegt. Günstige Energie, die Deutschland als Wirtschaftsstandort stärkt, Energieprojekte, die mit Bürgerbeteiligung umgesetzt werden, weniger Umweltzerstörung und ein echter Beitrag zum Klimaschutz – das alles sind Aussichten, die Hoffnung machen.

Wir als BUND möchten deshalb alle Ettlinger dazu anregen, sich nicht gegen die Energietransformation zu stemmen, sondern die klimaneutrale Zukunft gemeinsam konstruktiv zu gestalten. Wenn du dich vor Ort in Ettlingen engagieren möchtest, freuen wir uns, wenn du mal bei einem unserer BUND-Treffen vorbeischaust.

Quellen:

 

Wer sich vertiefend in das Thema einlesen will, dem sei das Buch Energierevolution jetzt! des Ingenieurs und Professors für Erneuerbare Energiesysteme an der Hochschule für Technik  und Wirtschaft in Berlin Volker Quaschning wärmstens empfohlen.

[1] Frauenhofer

[2] https://www.umweltbundesamt.de

[3] wind-energie.de

[4] Volker Quaschning / Cornelia Quaschning: Energierevolution jetzt!: Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht?, Kapitel: Hoffnungsträger Windkraft

[5] Praxisbeispiele Windenergie &Artenschutz. Erfolgreiche, Erfolg versprechende & innovative Ansätze, 2017, Seite 6f

[6] Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg. Positionspapier von BUND und NABU, 2023